(Eine kleine Parabel)

Als ein junger Mann zum weisen Sokrates gelaufen kam, war dieser völlig in Aufregung: „Hör zu, Sokrates, ich muss dir erzählen, wie dein Freund …“

„Halt ein!“, unterbrach ihn der Weise, hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“

„Drei Siebe?“, fragte der andere voller Verwunderung.

„Ja, guter Freund, drei Siebe! Lass sehen, ob das, was du mir zu sagen hast, durch die drei Siebe hindurchgeht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es auch wahr ist?“

„Nein, ich hörte es erzählen und …“

„So, so! Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht als wahr erwiesen ist – so doch wenigstens gut?“

Zögernd antwortete der junge Mann: „Nein, das nicht, im Gegenteil …“

„Hm, hm!“, unterbrach ihn der Weise. „So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt!“

„Notwendig nun gerade nicht …“

„Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!“

 

[Mit Genehmigung des Drei Eichen Verlages, 97762 Hammelburg. Zitat aus dem Magazin „Zu freien Ufern“, Heft 3/1982, das mit dieser 300ertsten Ausgabe ihr Erscheinen eingestellt hat.]

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